August 2012, Le Marche, Italien
Du bist so schön, noch viel schöner, als Dich in Erinnerung hatte. Vier Jahre haben wir uns nicht mehr gesehen, eine lange Zeit. Nicht für Dich. Für mich. Für Dich ist das ein Augenblick, naja, etwas mehr vielleicht. Für mich gefühlt fast ein Leben, so viel ist passiert, in dieser Zeit. Du stehst da, wie damals, stolz, archaisch, gelassen. Deine Ausstrahlung ist gewachsen in dieser Zeit. Weißt Du, dass ich es war, die Dir wieder das Leben geschenkt hat? Oder ist Dir das egal? Du scheinst mir größer, reifer als damals. Aber was mache ich mir da für Gedanken? Du bist zweihundert Jahre alt, nun, zumindest Deine Grundmauern, und das, was ich bei der Restaurierung davon übrig gelassen habe – lassen konnte.
Dein Garten ist eingewachsen, er hat ihn nicht gepflegt, er war zu wenig hier. Wo die Natur konnte, hat sie Territorium zurück erobert. Hier quietscht ein Scharnier, dort bröckelt schon wieder etwas Putz, aber das macht Deinen Charme nur größer. Gekauft haben wir Dich damals wegen des Ausblicks. Deine Lage auf einem Hügel. Der unglaubliche Blick war sofort atemberaubend. Auf der Terrasse sitzen und in die Hügel bis in die Ferne zu den Ausläufern des Apennin zu schauen ist so schön, dass mir fast die Tränen kommen. An Dir habe ich meine Meisterarbeit vollbracht, denn Du warst für mich, für uns. „Lass es für immer sein“, hatte er damals gesagt, und ich hatte es geglaubt. Hier sah ich mich alt werden, Kinder spielen, glücklich sein. Weg von den Zwängen, den Pflichten, dem Einfluß der Familie. Ich war bereit, das alles aufzugeben.
Fast zwei Jahre hat er mich bearbeitet, wieder hier her zu kommen. Die Erinnerungen zu spüren, die alten Gefühle wieder zu finden. Ich weiß bis jetzt nicht, ob es eine gute Idee war. Wie damals droht der Bruch mit der Familie. Wie damals fange ich an, mich zu widersetzen. Und wie damals sitze ich stundenlang auf der Terrasse und blicke in die Hügel, ganz weit rein, bis zu den Ausläufern des Apennin.
Kompliment – ein vortrefflicher Artikel: nicht nur sprachlich ein Juwel, auch inhaltlich ein Meisterwerk – mitreißend und spannend ohnegleichen. Zwei Erzählebenen so spannend und geschickt miteinander zu verweben ist großartig – ganz großes Kino ❤
Die Erzählweise, einen inneren Monolog zu führen, ist geschickt. Genau betrachtet ist es ja eigentlich ein Dialog, bei dem der Partner aber nicht antwortet. Das zieht förmlich in die Geschichte hinein 🙂
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Lieber Pan, ich Danke Dir von Herzen für Deinen Kommentar, der mich verlegen macht.
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Manchmal frage ich mich, ob Du als geometra wirklich den richtigen Job hast… :-).
In wenigen Zeilen steht da ein Bild vor einem, dass viel mehr ist als Landschaft und Architektur. Ein weiteres Puzzelstückchen Deines Lebens, dass Du uns da anvertraust, wenn man nur genau lesen mag (und auch die anderen Geschichten Deines Blogs kennt). Danke!
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Lieber Andreas, vielen Dank, so nett Dein Kommentar!
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Es wird Zeit, dass Du alles in ein schönes gebundesnes Buch schreibst. So für die Ewigkeit. Zwei Leser sind Dir gewiß. Fühl Dich herzliscst umarmt.
Michael
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Diese Seite von dir ist einfach so #hach… ❤
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Niemand kann Gefühle und Stimmungen so treffend und berührend formulieren wie Du.Wenn man diese Geschichte liest, meint man, man sein deine eigenen Gedanken. Du erzeugst mit Worten wunderbare Bilder. Ich schaff das nicht Mal mit der Camera. Ganz toller Blogpost. Marco.
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Liebe Chiara, ich freue mich immer über eine neue Geschichte von Dir oder die Fortsetzung einer bestehenden Geschichte. Du hast wirklich einen sehr lebendigen Schreibstil, man ist sofort in der Geschichte und möchte nicht mehr aufhören, weiter zu lesen. Es würde mich sehr freuen, wenn Du eines Tages daraus einen ganzen Roman schreiben würdest. Meine Cousine ist selbst eine erfolgreiche Schriftstellerin. Ich freue mich auf neue, spannende und emotionale Zeilen von Dir! Liebe Grüße, Peter
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Da ich lange nicht so wortgewandt bin wie Du, fällt es mir schwer in angemessene Worte zu fassen was ich beim lesen des Artikels empfunden habe. Nur soviel, wenn ich jetzt die Augen schließe kommt es mir vor das ich auch dort auf der Terasse sitze…
Wunderbar.
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Lieber Helge, Kommentare wie Deiner sind ganz wundervoll und ich danke Dir sehr dafür!
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Ich glaube dass es nur ein Wort gibt, welches das Gefühl bei deinen Worten beschreiben mag:
*seufz*
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