Die Kinder unten beim Nachbarn trampeln und schreien, der Nachbar hackt morgens um 7.00 Uhr das Eis von seinem Gartenweg, Samstags! Im Bus telefoniert einer laut, ein anderer nimmt mir die Vorfahrt. Der Nächste kriecht mit 25 km/h vor mir her. Der Postbote lässt das Hoftor hinter sich offen, der Hausmeister räumt seit 2 Tagen keinen Schnee. Der Kollege schickt die versprochenen Unterlagen nicht heute, dafür verschärft sich die Krise irgendwo auf der Welt. Der Nachrichtensprecher schaut angemessen betroffen, als er über das jüngste Massaker berichtet und irgendwelche reichen Menschen werden noch reicher. Besonders dreiste Menschen schauen nicht nur Dschungelcamp, nein, sie geben es auch noch zu. Öffentlich! Ein Rentner im Supermarkt benötigt extra lang, das Kleingeld passend zu finden und andere Menschen, die nicht die Zeit haben, das abzuwarten, kollabieren fast. Im Lokal sitzt einer, der viel zu dick ist und daneben gleich einer, der viel zu hässlich ist. Blöd sind ja sowieso alle Menschen… Dann gibt es noch welche, die meinen, mit ihrer extra lauten Stimme jeden Raum füllen zu müssen, die Assistentin, die aus Dummheit nichts kapiert, den Kunden, der sowieso ein Arschloch ist und den Auftraggeber, der von nichts Ahnung hat. Dazu kommen noch diverse Idioten, die den Rasen immer dann mähen, wenn man gerade so gar keinen Nerv dazu hat, die Töchter aus gutem Haus, die ihr Klavier missbrauchen und die Nachbarn, die entweder zu laute oder ganz falsche Musik hören. Oder, ganz dreist, beim Sex stöhnen. Den haben sie entweder zu oft (Schweine), oder nie (Looser).
Mir dröhnt der Kopf. Mir dröhnt der Kopf von all dem Gejammer, dem Anprangern, dem Verurteilen, dem Hass, der verbreitet wird. Von Gutmenschen, die sicher sind, dass sie selbst alles richtig machen. Nie jemanden stören, nerven, in den Wahnsinn treiben. Sie erklären mir die Welt, nein, sogar das Universum. Sie sagen mir, wann ich etwas falsch mache, nicht richtig verstanden habe. Sie kritisieren mich hemmungslos, in der Gewissheit, selbst alles besser zu wissen.
Ganz ehrlich? Leckt mich. Heute morgen habe ich – wie jeden Tag – meditiert. Unter mir tobten zwei Kinder ab. Die Wohnung hat vibriert. Unverschämt? Um 6.30 Uhr morgens? Mir völlig egal. Mein Herz ist voller Liebe. Für Menschen. Egal ob sie dick, hässlich, dumm, langsam oder was auch immer sind. Die Kinder tobten durch die Wohnung, weil sie glücklich waren. Schön! Der Nachbar mäht jetzt den Rasen. Na und? Er wird einen Grund haben, einen Grund, der für ihn einleuchtend ist. Würde ich mich mit ihm unterhalten, würde ich vermutlich verstehen, warum er es jetzt gerade tun muss. Der vor mir her kriecht, wegen ein wenig Schnee auf der Straße? Na und. Er darf so fahren, wie er sich sicher fühlt. Vielleicht hält er mich unbewusst auf, weil mir sonst an der nächsten Ecke einer reinknallen würde. Vielleicht ist er nur mein Schutzengel. Der Rentner an der Kasse? Gott, irgendwann werde ich auch so alt sein. Jetzt geniesse ich meine Jugend. Und zwar ohne Hass und Ungeduld. Ich sage manchmal, wenn mich etwas stört. Ich sage immer, wenn mich etwas freut. Ich verbringe viel Zeit damit, Menschen für das, was sie im Rahmen ihrer Möglichkeit tun, zu loben. Ich pfeife auf Äusserlichkeiten. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, an dem ich nicht irgend ein kleines Detail liebens- oder beachtenswert fand. Ich könnte es endlos fortführen. Es nervt mich nicht. Es gibt fast nichts, was mich nervt. Wenn ich dennoch einmal kurz vorm explodieren bin, mache ich einen Schritt zurück. Denn ich weiß, es liegt in dem Moment mehr an mir, an meiner Sicht der Dinge, nicht an dem, was andere tun. Und dann atme ich durch, lasse meinen Puls runterfahren, lächle. Es heisst „Du musst Dich selbst lieben, um die Welt lieben zu können.“ Dreht man den Spruch um, wird er erschreckend: „wer die Welt hasst, hasst sich selbst.“ Traurig.
Wünscht dem unbeleuchteten Radfahrer doch einfach mal, dass er gut Zuhause ankommt, anstatt sich über ihn aufzuregen. Das tut gut. Vor allem euch.
Jawoll!
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Gäbe es mehr so tolerante Menschen wie Dich, wäre es das Paradies. Ich ticke ähnlich. Du hast einen wunderbaren Text geschrieben. Der sollte Mal einen Tag lang auf der ganzen Welt an jeder erdenklichen Strassenecke, in jedem Geschäft und in jeder Wohnung und überhaupt überall hängen.
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WOW, heute extrem philosophisch, und so wahr!
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Meine Bewunderung für Ihre Gelassenheit – und meinen Dank für die Botschaft. Das Beispiel mit dem Radler ohne Licht hat mich echt getroffen. H.M.
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Sehr geil! So sieht’s aus. Würde aber trotzdem manchmal den Bälgern über mir, bzw. nein, der Mutter der Bälger in’s Genick hauen^^
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Welch schöner Text – danke dafür!
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Wunderbare Worte…… und das schönste….. >kurz vor der explosion einen Schritt zurückgehen…. < es darf und soll auch das "nerven" geben 😉 gehört zu jedem von uns wie das Salz in der Suppe…. und macht uns komplett =)
Einfach positiv geniessen, alles andere ist Beilage =)
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DANKE! 🙂
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Fein beobachtet! Sehr schön…
Eine kleine cloogshicerische Anmerkung sei mir gestattet: Sind Leute, die nie Sex haben locker drauf („Looser“) oder sind sie Verlierer („Loser“)?
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Danke für die Erinnerung! Da hast vollkommen recht – Deine Worte haben recht. Und leider denke ich manchmal doch nicht daran.
Und wenn ich gerade dabei bin – ich muß noch ein Geständnis machen: ich habe schon mal Dschungelcamp geschaut. Und nicht aus wissenschaftlichen Gründen, auch nicht weil ich Hobbysoziologe bin, nein, mir war einfach nur langweilig…
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Wunderbarer Text!!!
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Word! Schön in Worte gefasst, Große.
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[…] Drüben in ladyitaly’s Blog stellt man mal wieder fest, das die Welt schlecht ist. Und das vielleicht nicht immer nur “das ganze System” daran Schuld ist. Wir ollen Miesepeter mit unserer ewigen Nörgelei. Für weniger Miesepeter, für eine bessere Welt […]
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Bravo, bravissimo … Liebe dich selbst …
Möge uns das immer bewußt sein, besonders wenn wir grad am platzen sind … 🙂
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Sie sind da ein Stück weiter als ich. Toller Text!
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In weiten Teilen sehr einleuchtend, aber: vllt. regen wir uns über den Radfahrer ohne Licht ja nur auf, weil wir Angst um ihn haben, da wir wissen, das es noch viele andere „rücksichtslose“ Verkehrsteilnehmer gibt…
Wie Auch immer, das ist ein sehr schöner Artikel, in dem sich mit Sicherheit eine Menge Leute wiederfinden sollten/dürften!
Schöne Grüße,
Torben
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Seit Momo sollten wir wissen, dass wir durch Zappeln an der Kasse vor allem nur uns selbst fertig machen. Zeit kann man nicht sparen, aber man kann sich Zeit nehmen.
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Das erste Mal auf diesen Blog bzw. den Link hierzu geklickt und gleich ein so inspirierender Text. Wow! Werde jetzt öfter mal hier vorbei schauen und in der Zwischenzeit an der „Explosionsverhinderung“ arbeiten und üben. Vielen Dank schon mal! 😉
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[…] Miesepeter „Wünscht dem unbeleuchteten Radfahrer doch einfach mal, dass er gut Zuhause ankommt, anstatt sich über ihn aufzuregen. Das tut gut. Vor allem euch.“ […]
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Das nehme ich jetzt mit in den Tag. Und hoffentlich auch in den morgigen und den danach usw.
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Sehr schön geschrieben und so wahr! Danke!
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Die Einstellung wie Ich-bezogen man die Welt erlebt oder such nicht, erinnert mich an eine Rede von David Foster Wallace http://moreintelligentlife.com/story/david-foster-wallace-in-his-own-words
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Ich lese praktisch nie bis selten irgendwelche Blogs und bin hier zufällig vorbeigekommenl. Das wird sich wahrscheinlich auch nicht groß ändern, aber dieser Text zeigt mir wieder mal, dass im Internet nicht nur Käse verzapft wird. Bin hochbeeindruckt und freue mich sehr über Deine Einstellung zu Menschen und wünsche Dir Menschen an die Seite, die genauso denken. So, jetzt hab ich ganz offensichtlich auch mal nen Kommentar hinterlassen und bin dann mal genauso schnell wieder weg.
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Hallo Ralf, das freu mich sehr, vielen Dank!
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Cool! Ich wollte nämlich (wie immer eigentlich) keinen Kommentar hinterlassen, aber wenn Du Dich gefreut hast, dann hat es sich ja gelohnt. Alles Gute. R.
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Toller Text! Ich habe über das Thema Italien zu Deinem Blog gefunden, gefällt mir sehr gut. Nehme mir schon länger vor, regelmäßig zu meditieren – danke, dass Du meine Motivation dafür heute verstärkt hast 😉
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[…] Miesepeter […]
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sensationell guter text!
hätten wir alle diese einstellung wäre die welt sicherlich ein bißchen besser.
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Danke dafür. Du bist toll.
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Sehr schön geschrieben.
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Hat dies auf milchmithonig.de rebloggt und kommentierte:
Wow.
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Ich wünsche mir mehr Menschen mit deiner Einstellung und es wäre so vieles so viel einfacher. Gebe zu, ich bin auch leicht genervt, aber ich gebe mir jetzt mehr Mühe die Welt mit deinen Augen zu sehen. Danke …. und liebe Grüße Heike
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