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Posts Tagged ‘Liebe’

Alte Liebe

Gestern hab ich ja recht frech über ein paar Touristen abgelästert, die neben mir im Restaurant saßen. Ich hatte allerdings auch noch ein weiteres Erlebnis dort.
Ich ging zur Toilette, es gibt zwei große Kabinen, eine für Damen, eine für Herren. Groß deswegen, weil aus Platzgründen beide behindertengerecht ausgebaut sind. Die Damenkabine war besetzt, also wusch ich mir zum Zeitvertreib erstmal im Vorraum die Hände, rüttelte dann mal sicherheitshalber an der verschlossenen Türe, probierte vorm Spiegel ein paar verschiedene Frisuren aus, schnitt ein paar Grimassen….. Endlich, Bewegung! Es krachte an der Türe, als von innen versucht wurde, das Schloß zu entsperren. Ein Kratzen, Klappern, Schleifen. Sie hatte sich wohl eingesperrt. Was sollte ich tun? Da öffnete sich die Türe. Eine Krücke erschien, eine Zweite, dann schlurfte ein Mann heraus. Aha, dachte ich, hat sich wohl in der Kabine geirrt. Dann sah ich die beiden Hände, die von hinten auf seinen Schultern lagen. Sie schoben ihn vorwärts, eine Frau ging hinter ihm und führte ihn. Obwohl, nein, sie schob ihn zwar ein bisschen, aber ich hatte den Eindruck, ohne seine Krücken wäre auch sie aufgeschmissen. Denn sie stützte sich auch auf ihm ab. Die beiden bewegten sich so mühsam und langsam, aber, sie bewegten sich aus eigener Kraft. Und mir wurde klar, sie waren zusammen auf der Toilette gewesen, weil einer alleine es gar nicht hätte schaffen können. Die beiden waren weit über achtzig. Sicher hatten sie mit zwanzig geheiratet und so über sechzig Jahre ihres Lebens zusammen verbracht. Nicht nur die aufregende Verliebtheit, nein, all die Jahre, mit Freude, Kummer, Ängsten, Alter und Verfall. Sie waren sich treu geblieben, halfen sich jetzt und standen auch den Rest gemeinsam durch. Plötzlich erkannte ich die ganze Tragweite, die Liebe bedeutet. Echte Liebe. Und als ich in der Kabine war, wischte ich mir die Tränen aus den Augen.

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Miesepeter

Die Kinder unten beim Nachbarn trampeln und schreien, der Nachbar hackt morgens um 7.00 Uhr das Eis von seinem Gartenweg, Samstags! Im Bus telefoniert einer laut, ein anderer nimmt mir die Vorfahrt. Der Nächste kriecht mit 25 km/h vor mir her. Der Postbote lässt das Hoftor hinter sich offen, der Hausmeister räumt seit 2 Tagen keinen Schnee. Der Kollege schickt die versprochenen Unterlagen nicht heute, dafür verschärft sich die Krise irgendwo auf der Welt. Der Nachrichtensprecher schaut angemessen betroffen, als er über das jüngste Massaker berichtet und irgendwelche reichen Menschen werden noch reicher. Besonders dreiste Menschen schauen nicht nur Dschungelcamp, nein, sie geben es auch noch zu. Öffentlich! Ein Rentner im Supermarkt benötigt extra lang, das Kleingeld passend zu finden und andere Menschen, die nicht die Zeit haben, das abzuwarten, kollabieren fast. Im Lokal sitzt einer, der viel zu dick ist und daneben gleich einer, der viel zu hässlich ist. Blöd sind ja sowieso alle Menschen… Dann gibt es noch welche, die meinen, mit ihrer extra lauten Stimme jeden Raum füllen zu müssen, die Assistentin, die aus Dummheit nichts kapiert, den Kunden, der sowieso ein Arschloch ist und den Auftraggeber, der von nichts Ahnung hat. Dazu kommen noch diverse Idioten, die den Rasen immer dann mähen, wenn man gerade so gar keinen Nerv dazu hat, die Töchter aus gutem Haus, die ihr Klavier missbrauchen und die Nachbarn, die entweder zu laute oder ganz falsche Musik hören. Oder, ganz dreist, beim Sex stöhnen. Den haben sie entweder zu oft (Schweine), oder nie (Looser).
Mir dröhnt der Kopf. Mir dröhnt der Kopf von all dem Gejammer, dem Anprangern, dem Verurteilen, dem Hass, der verbreitet wird. Von Gutmenschen, die sicher sind, dass sie selbst alles richtig machen. Nie jemanden stören, nerven, in den Wahnsinn treiben. Sie erklären mir die Welt, nein, sogar das Universum. Sie sagen mir, wann ich etwas falsch mache, nicht richtig verstanden habe. Sie kritisieren mich hemmungslos, in der Gewissheit, selbst alles besser zu wissen.
Ganz ehrlich? Leckt mich. Heute morgen habe ich – wie jeden Tag – meditiert. Unter mir tobten zwei Kinder ab. Die Wohnung hat vibriert. Unverschämt? Um 6.30 Uhr morgens? Mir völlig egal. Mein Herz ist voller Liebe. Für Menschen. Egal ob sie dick, hässlich, dumm, langsam oder was auch immer sind. Die Kinder tobten durch die Wohnung, weil sie glücklich waren. Schön! Der Nachbar mäht jetzt den Rasen. Na und? Er wird einen Grund haben, einen Grund, der für ihn einleuchtend ist. Würde ich mich mit ihm unterhalten, würde ich vermutlich verstehen, warum er es jetzt gerade tun muss. Der vor mir her kriecht, wegen ein wenig Schnee auf der Straße? Na und. Er darf so fahren, wie er sich sicher fühlt. Vielleicht hält er mich unbewusst auf, weil mir sonst an der nächsten Ecke einer reinknallen würde. Vielleicht ist er nur mein Schutzengel. Der Rentner an der Kasse? Gott, irgendwann werde ich auch so alt sein. Jetzt geniesse ich meine Jugend. Und zwar ohne Hass und Ungeduld. Ich sage manchmal, wenn mich etwas stört. Ich sage immer, wenn mich etwas freut. Ich verbringe viel Zeit damit, Menschen für das, was sie im Rahmen ihrer Möglichkeit tun, zu loben. Ich pfeife auf Äusserlichkeiten. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, an dem ich nicht irgend ein kleines Detail liebens- oder beachtenswert fand. Ich könnte es endlos fortführen. Es nervt mich nicht. Es gibt fast nichts, was mich nervt. Wenn ich dennoch einmal kurz vorm explodieren bin, mache ich einen Schritt zurück. Denn ich weiß, es liegt in dem Moment mehr an mir, an meiner Sicht der Dinge, nicht an dem, was andere tun. Und dann atme ich durch, lasse meinen Puls runterfahren, lächle. Es heisst „Du musst Dich selbst lieben, um die Welt lieben zu können.“ Dreht man den Spruch um, wird er erschreckend: „wer die Welt hasst, hasst sich selbst.“ Traurig.

Wünscht dem unbeleuchteten Radfahrer doch einfach mal, dass er gut Zuhause ankommt, anstatt sich über ihn aufzuregen. Das tut gut. Vor allem euch.

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