Feeds:
Beiträge
Kommentare

Posts Tagged ‘Taschenbuch’

Kapitel 3

1.

Emanuele hatte mich noch, ganz Gentleman, bis zum Hotel zurückbegleitet und dann standen wir einen Moment unschlüssig da, und als die Situation begann, peinlich zu werden, hatte ich ihm ganz förmlich die Hand hingestreckt und mich für den Abend bedankt. Dann sah ich zu, dass ich ins Hotel kam.
Die Lobby war jetzt nahezu leer, nur hier und da saßen noch ein paar Menschen in den Sesseln und auch die Bar war jetzt nur noch spärlich besetzt. Das Licht war gedämpft worden und die Hektik und der Hochbetrieb, die hier das Bild bestimmt hatten, waren einer fast intimen Ruhe gewichen, die mir nach dem Abend guttat. Eigentlich hatte ich gleich nach oben gehen wollen, aber dann entschied ich mich um und setzte mich wieder an meinen Platz an der Bar. Ich bestellte mir einen Averna mit viel Eis und einer Scheibe Zitrone und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Die Begegnung mit Emanuele war seltsam gewesen, auf eine Art, die ich nicht in Worte fassen konnte. Er schien den ganzen Abend auf etwas gewartet zu haben, war immer wieder einmal in Gedanken gewesen, zuweilen etwas zu unruhig. Andererseits hatte mir der Abend gutgetan. Er hatte mir ein wenig Normalität vermittelt, ein Abendessen, Gespräche, der Abschluss auf der Piazza. Wieder bedauerte ich, nicht einfach nur zum Vergnügen hier zu sein. Ich hatte mein Handy vor mir liegen, aber es gab noch immer keine Nachricht. Zum hundertsten Mal überlegte ich, was Carlos von uns wollte. Sicher ging es nicht um eine schnöde Erpressung, dazu hätte es nicht diesen Aufwand bedurft, mit den vielen Anrufen und diesem Anwalt, der ständig genervt hatte. Aber was sonst sollte er wollen? Ich dachte wieder an die Szene, damals in unserem Haus. Er und mein Vater hatten so eine Art Frieden miteinander geschlossen. Es war nichts mehr offen zwischen ihnen. Und mein Vater hatte ja auch nicht das geringste Interesse gezeigt, sich nur eine Sekunde länger mit Carlos zu beschäftigen. Ich kam auf keine Lösung und dieses Abwarten zermürbte mich zusehends. Kurz überlegte ich, ob ich besser abreisen sollte. Alles einfach auf sich beruhen lassen, hoffen, dass es sich in Wohlgefallen auflösen würde. Aber ich wusste natürlich, dass das keine Lösung war. Ich würde darüber verrückt werden, nie zu erfahren, worum es eigentlich ging. Ich hatte ausgetrunken, überlegte, noch eine Zigarette zu rauchen, aber das konnte ich bequemer auf der Terrasse in meinem Zimmer. Ich war plötzlich müde, einfach unendlich müde, und so schlurfte ich, fast schon taumelnd, den Gang entlang zu meinem Zimmer.

2.

Das Kartenlesegerät, um die Türe zu entsperren, funktionierte erst im dritten Anlauf und als ich nach dem Lichtschalter griff und ihn drückte, passierte nichts. Aus dem Zimmer kam mir nur heiße Luft entgegen, scheinbar war der Strom ausgefallen und somit auch die Klimaanlage. Das Fenster zur Terrasse stand weit offen und die Tüllvorhänge tanzten leicht im Wind, der vom Meer her wehte, und für einen Moment sahen sie aus wie Gespenster. Das Mondlicht tauchte das Zimmer in ein surreales weißliches Licht und der Mann, der mitten im Zimmer auf einem Stuhl saß und ganz gelassen rauchte, ließ meinen Körper eine solche Menge Adrenalin ausschütten, dass mir die Knie weich wurden.

»Sie kommen spät, Signora.« Seine Stimme klang ruhig, fast schon belustigt arrogant. Er hatte schwarzes Haar, leicht unordentlich, trug eine enge schwarze Lederjacke und obwohl es dunkel im Zimmer war, eine Sonnenbrille. Er lümmelte auf einem Stuhl, hatte den Kopf zurückgelegt und blies den Rauch seiner Zigarette gelassen in Richtung Zimmerdecke. Er hatte den Kopf nicht zu mir gedreht. Er schien sich sicher zu sein, dass ich alleine war, oder es war ihm egal. Das Mondlicht ließ seine leichten Bartstoppeln wie einen Schatten im Gesicht schimmern und all das gab ihm ein brutales, rücksichtsloses Aussehen.

Ich versuchte nochmals, das Licht anzuschalten. Er lachte höhnisch, rauchte weiter und sagte kein Wort.
»Wer …«, ich musste mehrmals schlucken und setzte nochmals an: »Wer sind Sie?«
»Signor Inzigniano schickt mich.«
Ich nickte in die Dunkelheit. Es war also so weit, sie nahmen Kontakt mit mir auf. Jetzt wurde es ernst. Das Spiel hatte begonnen.

smoker

La Siciliana – Die Sizilianerin:

-> Taschenbuch

-> ebook

-> Trailer zum Buch: youtube

Read Full Post »

%d Bloggern gefällt das: