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Archive for the ‘DAILY’ Category

Alte Liebe

Gestern hab ich ja recht frech über ein paar Touristen abgelästert, die neben mir im Restaurant saßen. Ich hatte allerdings auch noch ein weiteres Erlebnis dort.
Ich ging zur Toilette, es gibt zwei große Kabinen, eine für Damen, eine für Herren. Groß deswegen, weil aus Platzgründen beide behindertengerecht ausgebaut sind. Die Damenkabine war besetzt, also wusch ich mir zum Zeitvertreib erstmal im Vorraum die Hände, rüttelte dann mal sicherheitshalber an der verschlossenen Türe, probierte vorm Spiegel ein paar verschiedene Frisuren aus, schnitt ein paar Grimassen….. Endlich, Bewegung! Es krachte an der Türe, als von innen versucht wurde, das Schloß zu entsperren. Ein Kratzen, Klappern, Schleifen. Sie hatte sich wohl eingesperrt. Was sollte ich tun? Da öffnete sich die Türe. Eine Krücke erschien, eine Zweite, dann schlurfte ein Mann heraus. Aha, dachte ich, hat sich wohl in der Kabine geirrt. Dann sah ich die beiden Hände, die von hinten auf seinen Schultern lagen. Sie schoben ihn vorwärts, eine Frau ging hinter ihm und führte ihn. Obwohl, nein, sie schob ihn zwar ein bisschen, aber ich hatte den Eindruck, ohne seine Krücken wäre auch sie aufgeschmissen. Denn sie stützte sich auch auf ihm ab. Die beiden bewegten sich so mühsam und langsam, aber, sie bewegten sich aus eigener Kraft. Und mir wurde klar, sie waren zusammen auf der Toilette gewesen, weil einer alleine es gar nicht hätte schaffen können. Die beiden waren weit über achtzig. Sicher hatten sie mit zwanzig geheiratet und so über sechzig Jahre ihres Lebens zusammen verbracht. Nicht nur die aufregende Verliebtheit, nein, all die Jahre, mit Freude, Kummer, Ängsten, Alter und Verfall. Sie waren sich treu geblieben, halfen sich jetzt und standen auch den Rest gemeinsam durch. Plötzlich erkannte ich die ganze Tragweite, die Liebe bedeutet. Echte Liebe. Und als ich in der Kabine war, wischte ich mir die Tränen aus den Augen.

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Es war November und der Morgen kämpfte sich mühsam durch die tiefhängende Wolkendecke. Die letzten Tage hatte es viel geregnet, und die Sonne, die sich durch die ersten zerfetzten Wolkenlöcher stahl, brachte die feuchten Felder zum Dampfen und tauchte die Erde in ein Meer aus Nebelschwaden. Ich war eine Weile nicht hier gewesen und konnte mich nicht von diesem Anblick lösen. Ich sehe von meinem Schlafzimmer aus in die sanften Hügel die sich am Horizont dann zu den gewaltigen grauen Felsen des Apennin auftürmen. Ich rauchte, wie immer Zuhause, heimlich und in meine Gedanken mischte sich plötzlich das klägliche Schreien eines Lamms. Ich versuchte, die Herde irgendwo zu sehen, aber in den Nebelschwaden der Wiesen war nichts zu erkennen. Ein zweites Lamm fing an herzzerreissend zu schreien und meine Augen tränten fast von der Anstrengung, irgendwo etwas zu sehen. Es dauerte einen Moment, bis mir auffiel, dass ich nur ein paar Lämmer hörte. Eine Schafherde macht richtig krach, aber nein, es waren nur Lämmer zu hören.

Blick

Das Haus war leer, ich war alleine und schnappte mir ein paar Stiefel um die Ausreisser zu suchen. Ich lief bestimmt zwei Stunden kreuz und quer in immer größeren Kreisen um unseren Hof. Immer wieder hörte ich ein Lamm, kämpfte mich dann über glitschigen Rasen und durch völlig aufgeweichte Felder – aber ich fand keines. Immer wenn ich sicher war, eine Stelle erreicht zu haben, wo ich etwas gehört hatte, war da…nichts.
Irgendwann erreichte ich die Straße, die zum Dorf führt. Die Sonne war inzwischen ganz durch gekommen, es war schwül, ich hatte Durst, war völlig verdreckt und guckte weiter in alle Richtungen.
Eine alte Frau kam mir entgegengeschlurft. Ich nenne solche Alten aus dem Dorf immer „Tütenläufer“. Man sieht sie überall. Fragt sich oft, wo verdammt sind die jetzt hergekommen, und vor allem, wohin wollen die noch laufen. Und immer haben sie Tüten dabei. Für Schnecken, für Kräuter, für was auch immer sie auf ihren langen Spaziergängen unterwegs finden.
„Buon dí“ begrüsste ich sie.
Sie blickte auf. Ihr Gesicht war vom langen Sommer dunkelbraun gebrannt, die Haut fest und runzelig wie Leder.
„Chiara, ciao.“ ein Lächeln huschte kurz über ihr Gesicht. Sie kannte mich. Klar, die meisten Alten hier wussten, wer ich war, auch wenn ich nicht jeden Einzeln genau zuordnen kann.
„Ich suche ein Lamm.“ sagte ich
„Hier?“ erstaunter Blick
„Ja. Ich habe Lämmer schreien gehört.“
„Die letzte Herde die hier war, das war die von Pepe.“ sie überlegte, “aber das ist gute sechs Wochen her“.
Ein Lamm kann nicht sechs Wochen alleine überleben, das ist unmöglich. Aber wo sollen Lämmer herkommen. Ich verstand das nicht.
„Und wo ist Pepe dann mit seiner Herde hin?“ fragte ich sie.
Sie sah mir jetzt direkt in die Augen. Etwas unheimlich.
„WANN hast Du die Lämmer schreien gehört?“ sie betonte diese „WANN“ wie einen Schuss.
„Heute morgen, gegen zehn Uhr“ sagte ich leise.
Sie wurde blass unter ihrer gegerbten Haut.
„Dio mio!“ stieß sie hervor. Machte die Corna* und bekreuzigte sich.
„Du weißt es noch nicht, oder“ fragte sie mich schließlich.
„WAS?“ jetzt war ich es, die das Wort wie einen Schuss klingen ließ.
„Pepe ist heute morgen gegen zehn Uhr gestorben.“

(*Anm. Corna oder Mano Cornuta, abergläubische Geste zur Abwehr von Bösem)

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Das Date meines Lebens

Wir hatten Anfang Januar das erste Mal telefoniert. Es war nicht meine Idee gewesen. Ich war so aufgeregt, redete vermutlich viel zu viel und genau das Falsche. Wir wussten beide nicht so genau, wie wir damit umgehen sollten. Ich war verschlossen, obwohl ich es doch irgendwie wollte. Ich war zu fordernd, zu ungeduldig, zu zurückhaltend, zu schüchtern. Wir redeten lange, fast eine Stunde, und zum Abschied blieben wir vage. Alles in der Schwebe.
Ich verdrängte das Gespräch, analysierte es, verwarf Ideen, Gefühle, Pläne. Ich weiß nicht mehr, wie viele Mails ich anfing, bis ich die Fassung hatte, die ich dann endlich abschickte. Und dann warten…es machte mich plötzlich verrückt. Ich kontrollierte mein Postfach im Minutentakt, versuchte, mich abzulenken, Hoffnungen zu ersticken…
Die Antwort, die kam, war….unverbindlich. Ich hatte, wie beim ersten Telefonat, wieder nur Stuss von mir gegeben, alles zu offen formuliert; der Empfänger war nicht schlau daraus geworden. Ich schrieb wieder ein paar Mails, die ich alle nicht abschickte, vertrödelte eine ganze Woche und rief dann einfach an.

Ein eiskalter Januartag. Ich hatte kaum geschlafen, wusste nicht, was ich anziehen sollte, hatte niemanden, dem ich davon erzählen konnte.
Viel zu früh losgefahren, viel zu schnell einen Parkplatz gefunden, viel zu lange in der Kälte vor dem Café gewartet. Das Literaturcafé, in der Innenstadt. Ehrfürchtig stand ich draußen und stellte mir vor, dass all die Menschen, die hier in wichtige Gespräche vertieft schienen, gerade große Projekte besprechen.
Endlich elf Uhr, endlich soweit, endlich persönlich gegenüber stehen! Sie kommt mit dem Rad, strahlend, sympathisch. Das Gesicht passt zur Stimme, ich bin erleichtert, fühle mich sofort wohl. Sie ist auch Italienerin, das macht es einfacher, die Chemie stimmt; zumindest für mich. Die Espressomaschine im Café ist defekt, wir lachen, trinken Saft und fangen an zu reden. Endlos, über alles Mögliche.
Sie zerstreut meine Bedenken und nimmt mir die Angst. Ich habe das noch nie gemacht, aber meine Lust darauf ist unbeschreiblich groß. Sie drängelt nicht, sie weiß, wenn ich es wirklich will, dann tue ich es auch, wenn nicht, dann eben nicht.
Die Nachricht, dass es endlich Kaffee gibt, unterbricht unseren Redefluss. Sie wird ein bisschen ernst, aber die letzten Minuten höre ich schon nicht mehr zu. Normseiten, mindestens 250 davon, aber nicht mehr als 300 Seiten, all das rauscht an mir vorbei. Die Euphorie, die mich gepackt hat, lässt mein Blut in den Ohren rauschen. Die Verabschiedung, mir fehlt jede Erinnerung daran. Nie hätte ich gedacht, dass das mal jemand von mir will. Ein bisschen Angst habe ich immer noch, aber ich werde es tun. Ich werde schreiben.

Literaturcafe

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September, zurück in München

Das erste Meeting nach vier Wochen in Italien. Zu spät dran, wie immer. Die Sonnenbrille noch im anderen Auto, als ich sie im Fiat in den Halter klipse, bricht der Bügel ab, die Büroschlüssel unauffindbar, also nochmal in die Wohnung, Ersatzschlüssel suchen. Zurück im Auto fällt mir das geheime Dokumentenfach im Fiat wieder ein, klar, da hatte ich sie hingetan. Motor läuft schon, vergessen, dass ich hier wieder kuppeln muss, Gang rein, Motor aus. Raus aus der Garage, vollgas, die üblichen 30 km/h zu schnell. Atemlos, Streß, Adrenalin. An der Ampel den iPod an den Stecker fummeln, die Mediaplayersteuerung verfluchen. Endlich Musik. Emma. Cercavo Amore. Blick in den Innenspiegel, der gehetzte Blick. Tunnelblick. „Spinnst Du?“ denke ich plötzlich. Vier Wochen Italien. An jeder Ecke Polizei, gelernt, jedes Tempolimit exakt einzuhalten. Warum das jetzt wieder ändern? Fuß vom Gas. Blick aufs Aussenthermometer: 23 Grad. Keine Sonne. Deutschland kann so effektiv sein. Dach auf, Musik laut, pfeif auf die Sonnenbrille. Zigarette an, durchatmen. Genießen.

 

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Liebe

August 2012, Le Marche, Italien

Du bist so schön, noch viel schöner, als Dich in Erinnerung hatte. Vier Jahre haben wir uns nicht mehr gesehen, eine lange Zeit. Nicht für Dich. Für mich. Für Dich ist das ein Augenblick, naja, etwas mehr vielleicht. Für mich gefühlt fast ein Leben, so viel ist passiert, in dieser Zeit. Du stehst da, wie damals, stolz, archaisch, gelassen. Deine Ausstrahlung ist gewachsen in dieser Zeit. Weißt Du, dass ich es war, die Dir wieder das Leben geschenkt hat? Oder ist Dir das egal? Du scheinst mir größer, reifer als damals. Aber was mache ich mir da für Gedanken? Du bist zweihundert Jahre alt, nun, zumindest Deine Grundmauern, und das, was ich bei der Restaurierung davon übrig gelassen habe – lassen konnte.
Dein Garten ist eingewachsen, er hat ihn nicht gepflegt, er war zu wenig hier. Wo die Natur konnte, hat sie Territorium zurück erobert. Hier quietscht ein Scharnier, dort bröckelt schon wieder etwas Putz, aber das macht Deinen Charme nur größer. Gekauft haben wir Dich damals wegen des Ausblicks. Deine Lage auf einem Hügel. Der unglaubliche Blick war sofort atemberaubend. Auf der Terrasse sitzen und in die Hügel bis in die Ferne zu den Ausläufern des Apennin zu schauen ist so schön, dass mir fast die Tränen kommen. An Dir habe ich meine Meisterarbeit vollbracht, denn Du warst für mich, für uns. „Lass es für immer sein“, hatte er damals gesagt, und ich hatte es geglaubt. Hier sah ich mich alt werden, Kinder spielen, glücklich sein. Weg von den Zwängen, den Pflichten, dem Einfluß der Familie. Ich war bereit, das alles aufzugeben.
Fast zwei Jahre hat er mich bearbeitet, wieder hier her zu kommen. Die Erinnerungen zu spüren, die alten Gefühle wieder zu finden. Ich weiß bis jetzt nicht, ob es eine gute Idee war. Wie damals droht der Bruch mit der Familie. Wie damals fange ich an, mich zu widersetzen. Und wie damals sitze ich stundenlang auf der Terrasse und blicke in die Hügel, ganz weit rein, bis zu den Ausläufern des Apennin.
Blick

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Engel links, Teufel rechts

Bushido hält mich wach während der Wagen einen Kilometer schmutzigen Asphalt nach dem anderen unter sich aufsaugt. Es ist 3.30 Uhr, nicht Tag, aber auch nicht Nacht. Ich fühle mich, als wäre ich in einem Zeitvakuum. Fast alleine auf dieser endlosen Autobahn nach Hause.
Und wieder steigt diese unbändige Wut in mir hoch. Dass ich mir das antun muss, nur um nach Hause zu kommen. Nicht einfach da sein zu dürfen, wo ich hingehöre. Und die Stimme links flüstert, beschwer Dich nicht. Und die Stimme rechts höhnt, selbst schuld, wenn Du nicht machst, was Du willst. Und dann drehe ich die Musik noch lauter, um diese Gedanken zu betäuben. Engel links, Teufel rechts.

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Besserwisser

„Das kannst Du nicht machen“, sagt sie.
„Das mußt Du doch machen“, sagt er.
„Du ißt zuviel“, höre ich hier.
„Du bist zu dünn“, kommt von dort.
„Schlaf mal mehr, das ist zu wenig“, meint einer.
„Schlaf nicht so oft“, ein anderer.
„Hättest mal lieber das Auto gekauft“, sagt er.
„Wieso hast Du nicht das Auto gekauft“ sagt sie.
„Du arbeitest zu viel“. „Du arbeitest ja fast nie“.
„Zuviel Training ist ungesund“. „Beweg Dich doch mal wieder“.
„Du jammerst zu viel“, heißt es hier, „Du läßt Deine Gefühle nicht raus“, kommt von da.
„Sag doch endlich mal Deine Meinung“, „Hey, sei doch nicht immer so direkt“.
„Triff Dich doch mal mit dem“. „Was, mit dem willst Du Dich treffen“.
„Ach, so machst Du das. Naja, eigentlich macht man das ja so“.

Ich bin naiv. Bevor ich anderen mit dummen Ratschlägen komme, denke ich mir immer, hey, auch wenn sich mir der Sinn nicht erschließt, der hat sich sicher was dabei gedacht, warum er es genau so macht.

Ich hab sie so satt, diese besserwissenden Klugscheißer.

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TAGTRAUM

Es ist Mittag vorbei, ich schaue aus dem Fenster, in München, auf den Kirschbaum. Seine Blüten sind weiß. Ok, eigentlich sind sie eher schmutzig-weiß-grau. Ich kann nicht einmal erkennen, ob das Blüten sein sollen, die JETZT blühen, oder ob das schon verblühte sind. Ich fürchte aber, es sollen aktuelle sein…
Es ist Mittag, gegenüber hat ein Rentner begonnen, Holz zu sägen, pünktlich zur Mittagsruhe. Eine alte Frau sitzt im Garten, ihr Radio auf volle Lautstärke, nebenan wird wütend ein Fenster zugeschlagen. Mich stört es nicht, ich mag Geräusche. Sie bedeuten, dass um mich herum Leben stattfindet. Dass da andere Menschen sind, die jetzt gerade etwas tun, von dem sie denken, es ist richtig, es jetzt zu tun.
Ich bin müde. So unglaublich müde. Ich schließe für einen Moment die Augen, spüre die wärme im Zimmer, es ist heiß hier drin, die Sonne knallt in die großen Panoramafenster. Die Geräusche werden zu einem Murmeln, einem Brei aus verschiedenen Quellen, die sich langsam und träge vermischen, mich in einen Strudel spülen. Wenn ich die Augen ganz fest zudrücke, explodieren Farben, die sich in Wellen vor meinem Geist schwingen, pulsieren, sich erneuern, intensiver werden.
Ich lasse mich im Stuhl nach hinten sinken und sehe eine Piazza, eine große Piazza, mit Kopfsteinpflaster. Das Bild gefällt mir, ich beschließe, zu bleiben.
Es ist Mittag. Die Piazza ist fast quadratisch, alte historische Gebäude umringen sie an an allen vier Seiten. Wie üblich sind fast alle Fensterläden angeklappt. Das Kopfsteinpflaster glüht, die Sonne brennt darauf und setzt allerlei Gerüche frei, die sich dort angesammelt haben. Es muss August sein, oder wenigstens Juli. Die obligatorische Bar hat ihre Markise ganz ausgefahren, der Schuster hat geschlossen, er ist wohl Zuhause, bei seiner Familie, Mittagessen, danach ein Schläfchen machen. Eine Katze, dort an der abgebröckelten Mauer, starrt stur auf eine Ritze, bewegungslos, hypnotisierend, hoffnungsvoll. Es geht ein ganz leichter Wind, der vom Meer her zieht. Aber der Wind ist warm, er reicht gerade so, den Schweiß etwas zu trocknen. Ein Hund läuft ganz dicht an der Mauer entlang, sucht den nicht vorhandenen Schatten, er hechelt. Eine alte Frau kommt aus der Kirche, ganz in schwarz, sie schlurft über den Platz, die Hitze scheint sie nicht zu bemerken. Vor mir steht ein Glas Weißwein, der Wein war eiskalt, als er kam. Das Glas ist beschlagen, Kondenswasser läuft aussen herab, in kleinen Perlen, er schwitzt, denke ich. In der Bar dudelt Musik, schält sich plötzlich aus dem Geräuschebrei heraus, ich drehe langsam etwas den Kopf, versuche es zu verstehen. Es ist eine Verkehrsdurchsage. Auf Deutsch. Ich bin an meinem Schreibtisch. Zurück. Und so unglaublich müde.

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Ostergedanken

Als ich vor einem Jahr zu Ostern nach Hause nach Italien gefahren bin, war ich sehr euphorisch. Mit dem Plan im Gepäck, vieles zu besprechen und meinen Aufenthalt in Deutschland bald beenden zu können.
Aber es kam anders, das Projekt wurde umfangreicher statt kürzer und jetzt ist ein Jahr vergangen. Ich bin immer noch in Deutschland. Ein Jahr, es ist unglaublich, wie zäh so ein Jahr vergeht, wie unvorstellbar lang es sich hinzieht, wie kalter Honig, der nur widerwillig von einem Löffel tropft. Andererseits war es nichts, kaum durch den Montag gekämpft, war jede Woche schon wieder vorbei, die Tage rasten im Nachhinein an mir vorbei wie ein ICE bei dem Du versuchst, jemanden oder etwas in den Fenstern zu erkennen, aber bis Du Dich versiehst, ist der Zug schon lange weg.
Aus der anfänglichen Furcht, die Zeit hier nicht rumzukriegen ist lange schon die Panik geworden, zuviele Jahre zu versäumen, etwas zu verpassen, nicht das Leben leben zu können, das ich mir eigentlich vorstelle.
Diesmal gehe ich ohne irgendwelche Erwartungen nach Hause. Längst ahne ich, dass mein Job hier in Deutschland viel zu gut läuft, als dass man mich bald wieder ganz zurück nach Italien lässt. Aber ich habe natürlich längst meine eigenen Pläne…

Das Reisetagebuch von meinem Osteraufenthalt letztes Jahr findet ihr hier im Blog unter: https://ladyitaly.com/category/heimaturlaub-ostern-2011/

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Stadtgeflüster

Die Zeit sitzt mir im Nacken, denn Projekt-Ende bedeutet endlich zurück nach Hause. Aber manchmal, so wie heute, nach einem zähen, aufreibenden, aber schließlich glücklich beendeten Meeting, beginnen meine Beine auf dem Weg zurück zum Auto plötzlich in den slowmotion Modus zu wechseln. Und auf einmal werden aus den Tunnelwänden links und rechts von mir farbenfrohe Bilder, das Grundgemurmel der Stadt verändert sich, ich nehme auf einmal Wortfetzen war, erst einzelne, dann immer mehr, ganze Sätze schließlich. Gerüche werden plötzlich bewusst. Ein Gefühl, wie wenn ein Karussell langsam ausläuft, wenn aus der Farbensuppe mit einem Mal wieder Bilder werden, die Fragmente wieder einen zusammengesetzten Sinn ergeben.

Da ist das Kind mit dem Roller, dass kleine Kunststücke übt, oder die Mutter, die ungeduldig wartet, weil das ganz Kleine schon wieder an irgendetwas stehen bleibt und es staunend betrachtet. Oder der Mann, gepflegt, Cordjacke, Künstlerschal, der seine Taschen abklopft und unflätig dazu flucht. Was er wohl vergessen hat? Sein Handy, Zigaretten, eine Notiz? Ich werde es nie erfahren. Ein Business-Man, hastiger Schritt, sorgenvolles Gesicht, der Nächste, eilig, hastig an der Zigarette ziehend, wohl um noch so viel wie möglich an Nikotin zu speichern, vorm nächsten Termin. Das Pärchen, dass sich verliebt ansieht, er mit einem Laib Brot und einer Flasche Wein im Arm, sie werden heute denke ich nicht nur essen…

Da, das Literaturhaus, beeindruckend, mit dem Café im Erdgeschoss. An den Tischen bunte Mischungen, der eine da, mit Smartphone und Tablet auf dem Tisch, beides in schicken Ledermappen, am nächsten Tisch Zwei, so stelle ich mir echte Schriftsteller vor, sie diskutieren intensiv, vermutlich über ihre nächsten Bestseller.

Ich gehe in die Kirche, auch hier so viele Emotionen, die Touristen, die die nächste Sehenswürdigkeit abhaken, dann Menschen mit Sorgen, die Trost suchen, andere, die sich wohl nur kurz ausruhen wollen, die Hektik draussen gelassen. Ich warte geduldig bis ich zwischen den vielen an die Marienstatue kann, stecke einen Schein in den Schlitz und zünde zwei Kerzen an, für meine Freundinnen.

Ich laufe weiter, entdecke den nächsten Platz, die nächste Kirche, und dann verwischen die Farben langsam wieder, das Gemurmel der Stadt vermengt sich zurück zu diesem Brei aus Stimmen, Geräuschen, Motoren. Und die Beine nehmen den alten Takt wieder auf, beschleunigen mich, der Blick fokussiert sich wieder auf den Tunnel, das Ziel.

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