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Posts Tagged ‘Italien’

Ein paar Impressionen, die ich heute Nachmittag eingefangen habe. Ein kleines Dorf, eine Piazza, eine Bar. Genau das richtige, um nach dem Essen ein paar Schritte zu laufen, zu gucken und noch einen caffè zu trinken. Das Dorf liegt in der Emilia Romagna, Italien.

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Rathaus

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Bar

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Balkon

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So heißt fast jede Piazza

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Kirche

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Gasse

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Stadthaus

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Dächer

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Dorf

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Bar

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Blick

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Berge

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Absatzkiller

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Ostergedanken

Als ich vor einem Jahr zu Ostern nach Hause nach Italien gefahren bin, war ich sehr euphorisch. Mit dem Plan im Gepäck, vieles zu besprechen und meinen Aufenthalt in Deutschland bald beenden zu können.
Aber es kam anders, das Projekt wurde umfangreicher statt kürzer und jetzt ist ein Jahr vergangen. Ich bin immer noch in Deutschland. Ein Jahr, es ist unglaublich, wie zäh so ein Jahr vergeht, wie unvorstellbar lang es sich hinzieht, wie kalter Honig, der nur widerwillig von einem Löffel tropft. Andererseits war es nichts, kaum durch den Montag gekämpft, war jede Woche schon wieder vorbei, die Tage rasten im Nachhinein an mir vorbei wie ein ICE bei dem Du versuchst, jemanden oder etwas in den Fenstern zu erkennen, aber bis Du Dich versiehst, ist der Zug schon lange weg.
Aus der anfänglichen Furcht, die Zeit hier nicht rumzukriegen ist lange schon die Panik geworden, zuviele Jahre zu versäumen, etwas zu verpassen, nicht das Leben leben zu können, das ich mir eigentlich vorstelle.
Diesmal gehe ich ohne irgendwelche Erwartungen nach Hause. Längst ahne ich, dass mein Job hier in Deutschland viel zu gut läuft, als dass man mich bald wieder ganz zurück nach Italien lässt. Aber ich habe natürlich längst meine eigenen Pläne…

Das Reisetagebuch von meinem Osteraufenthalt letztes Jahr findet ihr hier im Blog unter: https://ladyitaly.com/category/heimaturlaub-ostern-2011/

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…Zuhause wählte ich ohne lange zu überlegen die Nummer in der Anzeige, wie immer kam mit dem Freizeichen der Adrenalinstoß und mein Herz pochte, tief Luft holen, dann wurde abgenommen.
„Pronto.“ Typisch gelangweilter Ton einer italienischen Sekretärin, der mit einem Wort ausdrückte „Du störst!“ (wobei auch immer).
„Chiara Ravenna“ flötete ich in den Hörer. „Ich rufe auf die Anzeige an.“
„Si.“ Sie sagte es langgezogen, ungefähr Siiiiiiiii.
„Ich rufe auf Ihre Anzeige an.“ flötete ich weiter.
„Si.“ Wieder langgezogen. Ich merkte, wie ich wütend wurde
„Sie suchen eine Architektin.“
„Si.“ Noch langgezogener. Ich stellte mir meine Finger vor, um ihren Hals gelegt.
„Nun, deswegen rufe ich an, um mich zu erkundigen.“
„Si.“ Noch langgezogener. In Gedanken schlossen sich meine Finger fest um ihren Hals.
„Nun, äh, ja, ist die Stelle noch frei?“ Sie verunsicherte mich; und ich hasste sie dafür.
„Einen Moment.“ Ok, sie konnte also mehr als zwei Worte. Eine Warteschleifenmelodie ertönte. Eine Minute, zwei Minuten, ich versuchte an meine Zigaretten zu kommen, dann, endlich:
„Pronto?“ wieder die gleiche Tussi.
„Wer ist für die Stellenausschreibung zuständig?“ keifte ich ins Telefon.
„Einen Moment.“ Wieder Warteschleife.

Wie ich schließlich doch irgendwann zu einem Termin kam, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich kurz davor stand, einen Nervenzusammenbruch zu erleiden oder Amok zu laufen, aber, zu guter Letzt, ich sollte am nächsten Tag kommen.

Ich trank Wein an diesem Abend, Rotwein, unseren eigenen, und saß trotz der Kälte lange draußen, schaute in den Himmel, der Sturm hatte alle Wolken weggefegt, die Sterne glitzerten, der Himmel war wie aufpoliert. Gegen 23.00 Uhr summte mein Handy, es war Stefano, aber ich ging nicht ran, ich hatte keine Lust mit ihm zu sprechen. Und obwohl ich wusste, dass es wieder Streit geben würde, ignorierte ich auch die weiteren Anrufe, die bis 2 Uhr morgens bei mir eingingen.

Für die Fahrt in die Marken nahm ich den smart, ich wollte nicht protzig erscheinen. Die Marken sind wohl das Bundesland in Italien, das für die meiste Verwirrung bei Ausländern sorgt. Im Italienischen heißt es „Le Marche“, viele denken, das wäre Französisch und sprechen es „Lee Marschee“ aus, aber der Artikel ist Le (nicht les), und man spricht es „le marke“, zu Deutsch die Marken. Das einzige Bundesland, das in der Mehrzahl genannt wird. Es stammt vom Begriff Grenzmarken ab. War irgendwann einmal von einem Deutschen Kaiser besetzt, der irgendwo aus Franken stammte. Ich war verblüfft, in Deutschland zu sehen, dass die Haßberge in Franken landschaftlich den Marken sehr ähnlich sind. Klimatisch allerdings nicht.

Die Emilia Romagna ist meine Heimat, die ich liebe. Die Marken sind so etwas wie ein Liebhaber, eine geheime Liebe von mir, die ich gerne treffe, aber nicht viel darüber rede. Die Landschaft ist geprägt von Hügeln, die direkt am Meer beginnen. Anders als in der Emilia gibt es hier keine Ebenen, dafür wurde weniger gebaut, es gibt noch unzählige alte Häuser, ehemalige Gehöfte, die versteckt in dieser bezaubernden Landschaft liegen. Hier Häuser zu restaurieren, wäre ein Traum, eine Herausforderung, die ich nur zu gerne annehmen wollte.

Ich fuhr eine knappe Stunde auf der Autobahn und bog kurz vor Ancona ab in Richtung Hinterland. Ich fand die Adresse schon beim zweiten Anlauf. Die Agentur war in einem kleinen Ort, in Montecarotto, direkt an der Piazza. Ich war zu früh dran und daher fuhr ich ein paar Meter weiter. Schräg gegenüber der Firma war eine Bar und ich hatte so noch Zeit für einen caffè.

Es war ein sonniger Tag, die Wolken waren nicht zurück gekommen. Auf der Piazza waren ein paar kleine Geschäfte, ein paar Alte saßen auf einer Bank, ein Hund trottete gemütlich auf der Straße. Die Mauern waren frisch restauriert, vermutlich aus dem Erdbebenfond, unabhängig davon, ob ein Beben hier Schäden angerichtet hatte. Wobei die Seebeben, die häufig vor Ancona sind, ganz schön Schaden anrichten können. Ich betrat die Bar, es war dunkel darin, kaum Leute. Ich hatte die Türe noch in der Hand, als ich den Mann an der Bar sah. Er fiel mir auf, weil er groß war, sein blaues Hemd leuchtete in der tristen Umgebung. Er stand mit dem Rücken zu mir, aber ich konnte sein Gesicht im Regal hinter der Bar erkennen, die Flaschen standen in Nischen mit verspiegelter Rückwand. Es war der Deutsche! Der Adrenalinstoß brachte mich fast um. Noch hatte er mich nicht entdeckt und ich torkelte rückwärts wieder raus auf die Straße. Mir war schwindlig und ich lehnte mich um die Hausecke an die Wand. Meine Gedanken rasten, ich war fassungslos. Was machte er hier? Im Winter. In diesem Kaff. Er hatte erzählt, dass er oft in Italien war. Aber hier? Ich zündete mir mit zitternden Fingern eine Zigarette an und ging meine Optionen durch. In die Bar gehen, locker Hallo sagen. Im Erdboden versinken. Mich im Meer ertränken. Eine Ohnmacht vortäuschen und die Ambulanz rufen. Flucht. Flucht schien mir die beste Option. Ich spähte um die Ecke, ging dann schnell in Richtung meines Wagens. Da ging die Türe auf, ein blauer Hemdsärmel kam zum Vorschein. Er hatte das Gesicht nach innen gerichtet, vermutlich rief er noch einen Gruß zurück in die Bar. Und die einzige Möglichkeit zu verschwinden, bestand für mich darin, die Agentur zu betreten…

iL Tedesco – Der Deutsche ist soeben als Buch erschienen:

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… die Luft war kalt und roch nach Salz und Fisch und bis ich in der Bar ankam, war ich wieder durchgefroren. Paolo begrüßte mich mit einem breiten Lächeln und stellte unaufgefordert die Espressotasse unter die Maschine. Mein übliches Frühstück besteht immer aus einem Brioche (ein Hörnchen) und einem caffè; so wie bei fast allen Italienern. Ich schnappte mir die Zeitung und setze mich an meinen üblichen Platz.

In der Nische neben mir saß ein älteres Paar, Engländer, wie ich schnell hörte. Die kamen oft ausserhalb der Saison, weil ihnen das Wetter scheinbar egal war. An zwei anderen Tischen saßen ein paar alte Männer, die in ihr Kartenspiel vertieft waren und ab und zu zur Uhr schielten, um zu sehen, ob es schon spät genug war, endlich das erste Glas Wein zu bestellen. Der Fernseher an der Decke lief, wie meist von niemandem beachtet, vor sich hin und am Tresen standen einige Männer in Anzügen, die vor dem Büro noch einen caffè tranken und fast alle in ihre Handys starrten. Am Nebentisch kämpfte das Engländerpaar mittlerweile mit Carla, um eine Bestellung aufzugeben. Wie immer verstand Carla nichts von den paar Brocken Italienisch der ausländischen Gäste, und die Gäste konnten mit ihrem venezianischen Dialekt noch weniger anfangen. Ich grinste amüsiert vor mich hin und schaute dann wieder aus dem Fenster. Die Bar liegt genau gegenüber vom Strand und wie immer gab mir das triste Aussehen einen Stich, und ich sehnte mich nach dem Sommer, wenn ich morgens schon mit leichten Sachen draussen sitzen konnte. Ganz vorne, das erste Bagno, ist das von Mario, dort hatte ich den Deutschen kennengelernt, als ich ihn am Strand fast umgerannt hatte.

Ich winkte Paolo, dass er mir noch einen weiteren caffè machen sollte. Ich hatte es nicht eilig, ins Büro zu kommen. Es gab wenig zu tun im Moment. Die Idee, dass wir alte Häuser verkaufen, hatte ganz gut funktioniert. Die Idee, dass ich diese Ruinen als geometra dann umplane und die Restaurierung begleite, hatte auch gut funktioniert. Paolo, der andere Paolo, der Freund meines Vaters, der diese Idee hatte, hat nicht ganz so gut funktioniert. Wir hatten nämlich fast nur die Häuser verkauft, die uns gehörten. Was nicht schlecht war, denn wir hatten gedacht, die sind nichts mehr wert. Aber wir besaßen nicht endlos viele davon. Und Paolo hatte versprochen, neue Häuser zu suchen. Und er hatte uns von guten Kontakten erzählt, in Deutschland, von Agenturen, die die Käufer schicken würden. Leider machte er sich nie die Mühe, Häuser zu suchen und die Kontakte in Deutschland waren auch eher nicht ganz so gut. So setzte sich unser kleines Angebot fast nur aus dem zusammen, was mein Vater über Freunde oder Bekannte angeboten bekam. Mir gefiel das alles nicht besonders, denn entweder hatte ich richtig gut zu tun, oder ich konnte gleich wieder nach Hause gehen und auf unserem Hof mitarbeiten. Nur um Zeit totzuschlagen muss ich mich nicht in ein Büro setzen. Ich blätterte mit diesen trüben Gedanken gelangweilt die Zeitung durch, der Wetterbericht war unerfreulich, die politischen Nachrichten las ich eh nie, und als ich die Zeitung gerade angewidert wegschieben wollte, fiel mein Blick auf eine Anzeige. Geometra/ Architekt gesucht, stand da. Erfahrung in Restauration erforderlich, Englisch Bedingung, Deutsch von Vorteil. Hm, ich kannte die Firma nicht, es war keine Adresse dabei, aber die Vorwahl war aus der Nähe von Ancona.

Paolo stand plötzlich mit der frischen Tasse vor mir und ich zuckte zusammen. Er grinste, tat so als hätte er nicht genau gesehen, was ich da gerade las und ging pfeifend zurück zu seiner Bar. Ancona, in den Marken, einem „Bundesland“ südlich der Emilia Romagna. Ich kannte die Gegend gut, hatte einige Freunde dort.

Als ich auf der Straße stand, peitschte mir der Regen ins Gesicht und als ich zurück in die Bar schaute, sah ich die Zeitung immer noch an meinem Platz liegen und sie schien plötzlich riesengroß, wie ein Plakat und mir ging plötzlich der Gedanke durch den Kopf, wie viele ausgebildete Architekten mit Erfahrung in Restaurierung und mit Deutschkenntnissen es hier in der Gegend wohl geben wird. Vermutlich keine drei. Und ein bisschen Abstand zu Stefano würde mir auch gefallen, und so stiess ich die Tür erneut auf, nahm mir Zeitung vom Tisch, ignorierte den grinsenden Paolo und duckte mich dann unter dem Regen, um ins Büro zu kommen.

Im Büro war nichts los und so ging ich nach ein paar Minuten wieder nach Hause zurück. Den ganzen Nachmittag lag die Zeitung auf dem Tisch und ich versuchte, sie zu übersehen. Gegen 15.00 Uhr fiel mir endgültig die Decke auf den Kopf und ich ging zum Strand. Es war den ganzen Tag nicht richtig hell geworden, die Wolken standen bedrohlich dunkel ganz dicht über dem Meer, die Wellen peitschten wütend über die Felsen. Der Strand war übersät mit Treibholz, toten Fischen und Abfall, den die Schiffe weit draußen einfach über Bord kippten. Der Sturm trieb mir Tränen in die Augen und ich torkelte mehr als ich lief. Wie immer kam ich irgendwann am Leuchtturm an. Er ist schon lange nicht mehr in Betrieb, seine Mauern sind vom Salz zerfressen und mit Algen bewachsen. Aber er steht immer da, er trotzt jedem Sturm und er gibt mir dieses beruhigende Gefühl von Sicherheit. Wenn ich meine Hände auf seine alten starken Mauern lege, erzähle ich ihm oft, was mich beschäftigt oder bedrückt; er kennt alle meine Geheimnisse, Wünsche, Sorgen, und er hat schon viele Tränen von mir aufgefangen. Hier hatte ich auch den Deutschen das letzte Mal gesehen, als ich ihn zurückgestoßen hatte. Und kurz kommt wieder dieses Gefühl von damals in mir hoch, diese Mischung aus Verzweiflung, Trauer und Wut.

Als ich auf dem Rückweg bin, weiß ich, dass ich noch heute die Nummer in der Anzeige anrufen werde…

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…der Sommer war relativ belanglos vorübergegangen. Ende September waren die letzten Interessenten weg, denen ich Häuser zeigen konnte, und als die Strandbäder, Boutiquen und Strandzubehörläden geschlossen waren, kehrte Ruhe ein, in meinen kleinen Ort.
Ich konnte jetzt nicht mehr wie gewohnt am Strand frühstücken und wich schon morgens in die kleine Bar aus, in der ich normalerweise erst am Nachmittag einen aperitivo zu mir nahm. Es war jeden Morgen das gleiche Bild, ein paar der Alten saßen schon jetzt beim Kartenspielen, ein paar Geschäftsleute nahmen ihren Caffè und ihr Gebäck an der Bar. Da wir unter uns waren, war es Paolo egal, wer in seiner Bar rauchte, obwohl darauf eine exorbitant hohe Strafe stand.

Im November wurde das Wetter richtig schlecht, die Herbststürme kamen, und mit ihnen Regen und Kälte. Die Strände waren abgebaut, was sich die Urlauber gar nicht vorstellen können, die wohl denken, es sieht das ganze Jahr gleich aus. Jede Wegplatte, jeder Schirmhalter, einfach alles, wird im Herbst abgebaut. Selbst wenn im Oktober noch sonnige Tage sind, kein Italiener käme auf die Idee, sich bei unter 30 Grad am Strand aufzuhalten. Die Strandcafés werden mit Brettern verschalt und zuletzt kommen die Bagger, die hohe Sanddünen aufschaufeln, um das Wasser daran zu hindern, den Ort zu überschwemmen.

Alles ist so ruhig, so friedlich, so langweilig. So sehr uns die ganzen Besucher in der Saison auch stressen, wenn der Trubel plötzlich abbricht, legt sich eine Art Melancholie über den Ort. Alle, die irgendwie vom Tourismus leben, wissen erst einmal nichts mit sich anzufangen.

Ich schrecke hoch, weil der Sturm einen Fensterladen mit voller Wucht gegen die Hausmauer geschlagen hat, und das Adrenalin lässt mich keuchend atmen. Ich versuche, meine Uhr abzulesen und kriege, wie immer, wenn ich im Dunklen aufwache, kurz Panik, bis ich sicher bin, nicht unter Wasser zu sein und atmen zu können. Es ist halb sechs und draussen noch stockfinster. Ich taste neben mich, bis mir einfällt, dass Stefano nicht hier ist. Er leistet seinen Militärdienst ab und ich schäme mich wieder einmal dafür, darüber froh zu sein.

Es ist kalt in meinem kleinen Haus. Ich habe weder isolierte Wände noch Fenster, die das Haus warm halten würden. Diese Häuser direkt am Meer sind für den Sommerurlaub gebaut worden, nicht um darin das ganze Jahr zu leben. Ich wickle mich in die Bettdecke und fasse den Heizkörper an, der eiskalt ist. Fluchend gehe ich nach unten um caffè zu kochen, einschlafen kann ich sowieso nicht mehr.

Als es endlich hell wird, sitze ich beim dritten caffè und schaue auf das Meer, das dunkelgrün unter einer dichten Wolkendecke hohe Wellen schlägt. Der Tag wird trüb bleiben und ich versuche, mich an den Sommer zu erinnern, als es heiß war und ich morgens nicht wusste, wie ich den Tag überstehen soll, bei fast 40 Grad. Und dann fällt mir, wie immer, wenn ich an den Sommer denke, der Deutsche wieder ein. Und ich überlege, was er wohl gerade macht. Seit dem Abend am Leuchtturm war er mir nicht mehr begegnet. Weder am Strand, noch vor einem der Hotels, die ich unauffällig abgelaufen war, in der Hoffnung, eine zufällige Begegnung zu provozieren. Ich wusste nichts von ihm, keinen Nachnamen, keine Telefonnummer, keine Adresse. Nicht mal, aus welcher Stadt er war, wir hatten so viel geredet, aber diese Dinge völlig vergessen. Er kannte immerhin meine Anschrift, wir hatten mein Auto bei mir geholt, und manchmal, wenn ein Brief mit unbekanntem Absender im Briefkasten lag, ertappte ich mich dabei, wie mein Herz anfing zu pochen, und ich einen kurzen Moment dachte – nein, hoffte – es sei ein Brief von ihm.
Ich hatte Stefano nichts von meiner Begegnung erzählt, aber natürlich hatte er es erfahren, in einem so kleinen Ort kann man nichts geheim halten. Und ich hatte gelogen, hatte gesagt, es war ein Kunde, der ein Haus umbauen möchte und er hatte getobt, weil ich abends nicht mit Kunden unterwegs zu sein habe, und wir hatten einen der größten Streits gehabt, an die ich mich erinnern kann. Und als er mich Hure geheissen hatte, schmiss ich eine volle Weinflasche nach ihm, die an der Wand zerbarst und wenn man genau hinsieht, dann schimmert die rote Farbe der Trauben immer noch ein wenig durch die frisch gestrichene Stelle durch.

Als ich die Gastherme endlich wieder zum Laufen bekomme dusche ich endlos lange kochend heiß, bis ich endlich aufhöre zu frösteln. Ich werde später ins Büro fahren, aber vorher, wie jeden Morgen, zu Paolo in die Bar gehen, um die neuesten Gerüchte zu erfahren, einen caffè zu trinken und etwas zu essen. Ich hatte keine Ahnung, welche Überraschung mich in der Bar erwarten würde…

iL Tedesco – Der Deutsche ist soeben als Buch erschienen:

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