Tag 1 Abend und Tag 2
Am Abend fahre ich in die Hügel zu meinem Elternhaus. Es ist schön, in die Hügel hinter Ravenna zu kommen. Die Wiesen sind sattgrün, teilweise sind die Felder bereits das erste Mal in dieser Saison abgeerntet. Im August, wenn in Nordeuropa die Saison noch läuft, ist es bei uns längst zu heiß und die Landschaft bereits wieder erdig braun und verbrannt.
Die letzte Steigung, die letzte Kurve, dann fahre ich durch das steinerene Tor und ein paar unserer Hunde begleiten bellend die letzten Meter bis zum Platz vor dem Hof. Meine Eltern warten schon draußen, und das Spiel vom Vortag wiederholt sich, umarmen, abküssen, heulen.
Natürlich haben wir jeden Tag telefoniert, natürlich wissen sie alles haarklein, aber dennoch muss ich nochmal alles erzählen, jede Einzelheit berichten und werde immer wieder geherzt und abgeküsst.
Unter dem Vordach des Haupthauses ist die große Tafel gedeckt und ich weiß, dass bestimmt seit zwei Tagen alles mögliche vorbereitet wurde. Vom Teig für die Nudeln fatto in casa, über die Salate, Beilagen, Fleisch, und Nachspeisen. Die Tafel ist für mindestens 20 Leute eingedeckt, die ganze Familie kommt, um mich zu begrüßen. Wir essen bis weit nach Mitternacht, es gibt unendlich viele Vorspeisen, Nudeln, natürlich, mit verschiedenen Soßen, danach kalte Fleisch- und Wurstplatten, als Hauptgericht Wildschweinragout in Rotweinsoße, das ich liebe, unzählige Desserts und natürlich Wein ohne Ende.
Als um zwei Uhr morgens die letzten Gäste gegangen sind, stehe ich in meinem Zimmer am Fenster und atme die Luft der Wälder und der Weinberge ein – eine erdige, würzige Luft, wie ich sie sonst noch nirgends gerochen habe. Ich lasse das Fenster auf, es ist zwar noch kalt nachts, aber ich freue mich so, die vertrauten Geräusche zu hören, das rauschen der Blätter, die Tiere, den Duft, all das habe ich in München so vermisst, wo ich nur die Geräusche der Großstadt vor meinem Fenster hatte.
Am Morgen wache ich früh auf und sehe weit am Horizont die Sonne aus dem Meer tauchen. Das Meer selbst ist nicht zu erkennen, der Morgendunst lässt den Horizont mit der Wasserkante verschmelzen, während die Sonne wie ein Feuerball daraus auftaucht.
Ich laufe draußen in die Weinberge und klettere, begleitet von zwei Hunden, den steilen Pfad nach oben. Von hier sieht man wundervoll auf unseren Hof und die sanft abfallenden Hänge bis hinunter zum Meer.
Das Frühstück nehme ich unter dem Vordach ein, Espresso und Hörnchen, die meine Mutter frisch gebacken hat. Es ist immer noch ganz still, ein paar Vögel zwitschern, in der Ferne bellt ein Hund. Ich betrachte die alte Natursteinfassade, den alten Pizzaofen, den Pool, der nicht mehr befüllt wird, seit wir Kinder aus dem Haus sind und weiß, dass ich eines Tages hierher zurückkehren werde.
Zu Mittag bin ich mit Freunden in Casal Borsetti verabredet, so fahre ich die Küste entlang und bedauere, dass ich mein Cabrio in München gelassen habe, die Sonne brennt bereits hochsommerlich und fast jedes Bagno hat bereits für den Osteransturm geöffnet.
Casal Borsetti ist ein kleines Dorf, das die Kette der Orte an der Küste Richtung Norden abschließt. Nachdem man durch das mondäne Marina di Ravenna gefahren ist, muss man mit der Motorfähre den Kanal überqueren, der das Meer mit dem Industriehafen von Ravenna verbindet, danach durchquert man Marina di Romea und nach einer Weile Niemandsland erreicht man Casal Borsetti.
Direkt am Strand treffen wir uns in einem kleinen Fischrestaurant direkt am Pier. Meine Lieblingsvorspeise, Spaghetti mit Venusmuscheln, ist schnell bestellt, beim Hauptgericht dauert es länger, ich lehne verschiedene Vorschläge ab und schließlich einigen wir uns auf Tintenfisch und Garnelen vom Grill, aber wir können uns über die Zubereitung nicht einigen und diskutieren endlos. Das ausländische Paar am Nebentisch wird schon ganz nervös, weil sie auch gerne bestellen wollen, aber der Wirt ignoriert sie und versucht mich von seinem Rezept zu überzeugen. Wir verständigen uns schließlich, und als er sich dem Nachbartisch zuwendet, gehen die Gäste wütend aus dem Lokal. Daraufhin grinst er mich an, zuckt mit den Schultern und ich weiß wieder, was mir so gefehlt hat.
Wir essen bestimmt zwei Stunden und dann gehe ich nach draußen, um zu rauchen und setze mich auf eine Mauer in die Sonne und plötzlich ist es da, dieses Gefühl, wenn sich die Seele ganz vom Körper löst, man keinerlei Unwohlsein mehr verspürt, einfach nur im hier und jetzt ist, rundum zufrieden, zufrieden, einfach nur da zu sein. Ein Gefühl, dass mir in Deutschland völlig verloren gegangen war.
Wir laufen über den Strand und dann sehen wir den Anglern am Pier zu. Sie haben noch nichts gefangen, ausser ein paar mickrigen Sardinen, aber zwei von ihnen diskutieren bereits lautstark das beste Rezept, um den Fang am Abend zuzubereiten.
Als ich zurück zu meinem Haus am Meer komme, muss ich mich schon durch die ersten Staus kämpfen, ganz Italien verbringt Ostern am Meer, aber dazu erzähle ich morgen mehr.
Ich bin zum Aperitifo bei Paolo verabredet, danach gehts zum Abendessen in ein Restaurant auf dem Land, das ich noch nicht kenne.
Ja diese Gefühl ,als wenn alles von der Seele abfaellt. Da kommt man zur Ruhe. Gutes essen bei lieben Menschen trägt dazu bei, diese Druck zu verlieren. Einfach gut leben.
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