Tag 2 Abend und Tag 3
Am Abend sitze ich wie immer bei Paolo in der Bar zum aperitivo und beobachte die Schlange an Autos, die sich in den Ort quält. Die Deutschen denken immer, ihre Urlaubsorte sehen das ganze Jahr so aus, wie sie es im Juli oder August kennen gelent haben, alle Cafes und Restaurants in Betrieb, alle Läden bis 22.00 Uhr geöffnet und halligalli jeden Tag. Das ist gar nicht so, es lebt sich auch direkt am Meer recht ruhig. Die Italiener haben nicht ständig Urlaub, und Schulferien gibt es an Ostern gerade mal vier Tage, das wars. Die großen Ferien sind dafür von Mitte Juni bis Mitte September. Die Eltern haben in der Regel zwei Wochen im August, öffentliche Kinderbetreuung gibt es nicht wirklich, daher sind bei uns die Familien so wichtig. Ohne Opa und Oma läuft nichts.
Ostern ist eine große Ausnahme, das feiern wir fast so wie Weihnachten. Verbringt man Weihnachten Zuhause bei der Familie, ist Ostern ein kleiner Saisonauftakt für den bevorstehenden Sommer. Jeder, und ich meine wirklich JEDER Italiener versucht, an Ostern ans Meer zu fahren. Da wir wenige Feiertage haben, oder besser gesagt, da fast jeder Feiertag am darauffolgenden Wochenende gefeiert wird, und somit alle arbeiten müssen, bietet Ostern hier eine Ausnahme. Der Karfreitag ist normaler Arbeitstag, aber Ostermontag ist frei. Circa eine Woche vor Ostern erwachen alle Badeorte aus dem Winterschlaf, die Pools werden befüllt, die Hotelzimmer geschrubbt, überall wird gehämmert, gesägt, geschraubt. Die Straßen werden gereinigt, Lichterketten montiert, alles für dieses eine lange Wochenende am Meer. Die ersten Glücklichen kommen am Donnerstag, die meisten jedoch reisen am Freitag nach Stunden im Stau bis nach Mitternacht noch an.
Dafür wird Ostern dann zweimal gefeiert, mit einem großen Menü am Sonntag und einem kleineren Menü am Montag. An diesen beiden Tagen bekommt man in ganz Italien kein normales Essen in Restaurants, es gibt nur Ostermenüs, je nach Restaurant ab fünf Gängen aufwärts. Plätze muss man frühzeitig reservieren, je nach Lokal am besten schon im Februar, will man noch einen Platz.
Ich habe immer wieder erlebt, wie sich Touristen die Augen gerieben haben. War gerade noch jede Bar geschlossen, so ist am Osterwochenende plötzlich alles in Betrieb – um danach wieder im Tiefschlaf zu versinken. Warum? Ganz einfach, die Italiener kommen erst wieder im August, und die ersten Deutschen haben erst zu Pfingsten wieder Schulferien.
So saß ich in meiner Bar und sah amüsiert zu, wie die Italiener ihr Italien stürmen. Wir sind laut, wir kommen meist mit der gesamten (Groß)Familie in Gruppen ab 10 Personen, jeder hängt am Handy, die Kinder kommandieren ihre Eltern herum und es herrscht ein solcher Lärmpegel, dass die meisten Nicht-Italiener die Flucht ergreifen. Einzig unser Tagesablauf rettet die wenigen Touristen. Kein Italiener würde je auf die Idee kommen, vor halb neun ein Abendessen auch nur in Erwägung zu ziehen. Wenn man mir in Deutschland, die wenigen Male die ich aus war, regelmässig gesagt hat, die Küche habe schon zu, kann man in Italien auch um 22.00 Uhr ohne Probleme noch ein mehrgängiges Menü bekommen.
Nachdem mir Freunde am Abend noch ein Restaurant gezeigt hatten, dass weit ausserhalb in den Hügeln gelegen war, bin ich erst nach drei Uhr ins Bett gekommen.
Am morgen wurde ich geweckt, sehr unsanft, wobei ich nicht sagen kann, ob es die Kreissäge vom Nachbarn, der Dampfstrahler vom Bademeister oder die Straßenreinigung gewesen ist. So etwas wie Ruhezeiten gibt es in Italien nämlich auch nicht.
Am Morgen war ich dann bei meiner „Nonna“ (Oma) Francesca, sie ist nicht meine richtige Oma, aber seit ich denken kann, nenne ich sie Nonna. Sie stammt aus Apulien und hat mir von dort Oliven mitgebracht. Eine ganz spezielle Sorte, sie sind grün, ein Grün, dass ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, so schön, dass sie fast zu schade zum Essen sind.
Mittags war ich bei Freunden, die letztes Jahr ein Restaurant direkt am Strand eröffnet haben. Ganz in weiß, es steht an einem Stück freiem Strand, und das Gebäude bildet einen wundervollen Kontrast zum tiefblauen Himmel und dem Meer. Außen herum sind die Terrassen in dunklem Holz angelegt. Eine Außentreppe führt aufs Dach, das als große Sonnenterrasse genutzt werden kann. Ich habe mir eine Auswahl verschiedener Fische grillen lassen, eine Seezunge, Tintenfisch, Garnelen und einen Anglerfisch. Noch vor dem Dessert habe ich gedankich meine Resrvierung für Ostermontag storniert und mir hier einen Platz reserviert, am gleichen Tisch, mit Blick direkt aufs Meer.
Als ich nach Hause zurück gefahren bin, rief mich eine Freundin an, um mich am Abend zu einer Strandparty einzuladen, mit Musik, Tanz und Feuerwerk. „Es ist Karfreitag“, habe ich ihr gesagt. „Na und?“, kam die Antwort, das Lokal gehört dem Bruder ihres Vaters. Ihr Vater ist Bürgermeister in dieser Provinz. Italien eben.
Ich werde nach der Party noch in die Hügel fahren, auf unseren Hof, dort bleibe ich bis Sonntag Mittag, dann fahren wir zum ersten Ostermenü zusammen ans Meer.
Ich werde Nachts wieder das Fenster offen lassen, die Zikaden haben Paarungszeit und singen die ganze Nacht das Lied des ewigen Sommers.
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